Opportunity-Mitarbeiterin Maika Landwehr berichtet von Begegnungen auf ihrer ersten Projektreise: „Während wir Chancen-Geber sind, sind sie wirklich bemerkenswerte Chancen-Nutzer.“

13. Dezember 2018

Opportunity-Mitarbeiterin Maika Landwehr (mit schwarzem T-Shirt) besuchte erstmalig unsere Hilfsprojekte und kehrte erfüllt und mit bewegenden Eindrücken, die sie mit Ihnen teilen möchte, nach Köln zurück.

Seit über acht Jahren bin ich nun bei Opportunity tätig. Ich habe immer von den begeisterten Berichten meiner Kollegen und Kolleginnen gezehrt, wenn sie wieder von einem Projektbesuch zurückkehrten. Es selbst in Ghana zu erleben, die von Opportunity unterstützten Menschen kennenzulernen und unsere Kollegen vor Ort bei der Arbeit zu begleiten, ist jedoch etwas ganz anderes. Die Reise hat mir die Menschen, die ich bisher nur aus Berichten und – genau wie unsere Spender – aus unseren Kommunikationsmaterialien kannte, erst richtig nahegebracht. Ich habe mit ihnen gesprochen und gelacht, ihre Ausstrahlung gespürt und ihre Lebensumstände – teilweise auch ihr Zuhause – selber gesehen. Tief berührt bin ich von unserer Reise durch Ghana zurückgekehrt und weiß nun umso mehr, weshalb ich die Arbeit von Opportunity so sehr schätze.

Da war zum Beispiel Millicent, eine Reisbäuerin aus unserem Reisbäuerinnenprojekt in Giah im Norden Ghanas. Ihre fröhliche Ausstrahlung und ihr positiver Blick in die Zukunft waren wirklich beeindruckend. Als sie uns zu sich nach Hause einlud und wir ihr von intensiven Regenfällen stark beschädigtes Lehmhaus sahen, war ich umso mehr von ihrer positiven und hoffnungsvollen Einstellung ergriffen.

Derzeit kann sie dort nicht leben und kommt mit ihrer Familie bei ihrer Schwiegermutter unter. Nach ihrem Wunsch für die Zukunft gefragt, war ihre erste Antwort, dass sie sich wünscht, eines Tages ein einfaches, wetterfestes Haus aus gebrannten Ziegeln bauen zu können – um keine Angst mehr davor haben zu müssen, dass ihr Haus bei starkem Regen einstürzt. Eine unvorstellbare Angst für uns Menschen in Deutschland, für die der Schutz durch ein stabiles Haus in der Regel selbstverständlich ist.

Millicent tut nun mit großer Motivation alles dafür, dass dieser Wunsch sich erfüllt, und ist dankbar, dass sie durch unser Reisbäuerinnenprojekt die Chance dazu bekommen hat. Auch zu ihrem Reisfeld durften wir sie begleiten – ein sattes, knackiges Grün, die Farbe der Hoffnung.

Auch Stephen aus Kumasi hat mich tief beeindruckt. Er erlernt den Schneiderberuf. Was mich an Stephen so sehr fasziniert hat, sind sein Strahlen und seine absolute Begeisterung. Schon sehr lange war es sein Traum, Modedesigner zu werden. Die Motivation und, wie uns sein Ausbilder bestätigte, sein außerordentlich großes Talent waren da – eine entsprechende Berufsausbildung als erster Schritt war jedoch unerreichbar für Stephen.

Es verwundert nicht, dass aus diesem Grunde Frustration und Zukunftsangst lange Zeit seine Begleiter waren. Ich habe selten so leuchtende Augen gesehen wie die von Stephen, als er uns von seiner Ausbildung im Rahmen unseres Berufsausbildungsprogramms YAP erzählte. Stephen verkörpert für mich genau das, was unsere Arbeit ausmacht: Ein großes Talent – in Stephens Falle sogar ein überdurchschnittlich großes – und ein sehr starker Wille, die nur eine Chance brauchen, um Träume zu verwirklichen und eine echte Veränderung zu bewirken.

Josephine war vor einigen Jahren selbst Teilnehmerin im Berufsausbildungsprogramm YAP. Nun hat die 29-Jährige ihren eigenen Friseursalon in Sunyani und ist Ausbilderin von zwei jungen YAP-Auszubildenden. Unser Besuch bei Josephine war recht spontan, aber sie schien sich zu freuen. Denn sie ist begeisterter Fan des Ausbildungsprogramms, das auch ihr damals den Weg in eine positive Zukunft geebnet hat. Das ist auch der Grund dafür, dass sie sich dazu entschlossen hat, als Ausbilderin erneut in das Programm einzusteigen – und davon erzählte sie uns sehr gerne und mit einem strahlenden Lächeln.

In den vergangenen Tagen hatten wir mehrere Auszubildende an ihren Ausbildungsplätzen besucht. Allen gemeinsam war ihr schüchternes Wesen und eine gewisse Unsicherheit, mit der sie dem Besuch aus Deutschland entgegentraten. Mit Josephine hingegen saß uns eine selbstbewusste Frau gegenüber, die bereits viel erreicht hatte und dies auch ausstrahlte. Eine Frage kam mir in den Sinn: Ob Josephine damals auch eine so schüchterne YAP-Auszubildende war? Ich bin mir recht sicher, dass sie es war. Und dass ihre beiden jungen Auszubildenden – Sie ahnen es: beide sind sehr schüchtern – in ein paar Jahren ähnlich wie Josephine strahlen werden.

Aber nicht nur Josephine, sondern auch die anderen Ausbilder/innen, die wir während unserer Reise getroffen haben, sind mir in sehr nachhaltiger Erinnerung geblieben. Ohne sie könnte unser Ausbildungsprogramm nicht so erfolgreich durchgeführt werden und ich bin dankbar dafür, dass sie von unseren Kollegen vor Ort so sorgfältig ausgewählt werden. Aus unseren Gesprächen wurde deutlich, dass sich alle Ausbilder/innen ihrer Verantwortung bewusst sind. Viele von ihnen strahlten Güte und Sicherheit aus und ich könnte mir vorstellen, dass auch ich mich gut bei ihnen aufgehoben fühlen würde.

So wie bei Achianas Ausbilder Joseph, der den Achtzehnjährigen in Bibiani im Handwerk der Motorenreparatur ausbildet und ihn auch immer wieder mit Mahlzeiten unterstützt, wenn Achiana kein Geld hat, um sich etwas zu essen zu kaufen.

Selina, die in Kumasi eine Ausbildung zur Friseurin macht, antwortete auf unsere Frage, wie sie mit ihrer Ausbilderin Abigail zurechtkommt: „Ich liebe meine Ausbilderin mehr als mich selbst.“ Sie sagte dies mit einem verschmitzten Lächeln und wir sollten diese Aussage sicherlich nicht allzu wörtlich nehmen. Dennoch sprach ehrliche Zuneigung und Dankbarkeit aus Selina und das enge Band zwischen ihr und ihrer Ausbilderin war deutlich zu spüren.

Wir haben viele verschiedene Menschen auf unserer Reise durch Ghana kennengelernt. Allen gemeinsam war, dass sie voller Dankbarkeit sind für die Chance, die sie durch Opportunity erhalten haben – dass sie jedoch vor allem selber sehr viel leisten, um sich nun aus eigener Kraft eine gesicherte Zukunft aufzubauen. Während wir Chancen-Geber sind, sind sie wirklich bemerkenswerte Chancen-Nutzer. Mit einem sehr guten Gefühl kehrte ich nach Köln zurück.